Suche im Sektor Null by Michael Marcus Thurner

Suche im Sektor Null by Michael Marcus Thurner

Autor:Michael Marcus Thurner [Thurner, Michael Marcus ]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neuroversum, Perry Rhodan, Science Fiction
Herausgeber: Pabel-Moewig Verlag GmbH
veröffentlicht: 2011-12-16T01:00:00+00:00


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Der Weiße Saal. Gebaut, installiert oder geformt von den Metaläufern vor mehr als einhundert Jahren. Die Technik, die dahintersteckt, ist unbekannt und überlegen geblieben. Generationen von Fachleuten haben sich an der Erforschung des Raumes ihre Zähne ausgebissen, zumal nicht jedermann der Zutritt gestattet ist.

Ich fühle Sichu Dorksteiger und weiß, dass sie unmittelbar neben mir steht. Doch ich sehe sie nicht. Ich wage es nicht, ihr den Kopf zuzudrehen. Zu sehr bin ich gebannt vom Weiß, das uns umgibt.

Es ist weniger weiß denn Reinheit, die ich sehe und mit all meinen beschränkten Sinnen zu erfassen versuche. Das Weiß bewirkt, dass ich mich schäme. Dass ich an schreckliche Dinge zurückdenke, die ich begangen habe. Dass ich mich an Schuld und niemals geleistete Sühne erinnere.

Druck lastet auf meinem Kopf, auf meinem Gewissen. Ich bin unwürdig, an diesem Platz zu stehen. Ich habe zu viel falsch gemacht in meinem Leben. Und ich wage nicht, mich diesen Fehlern zu stellen. Ich laufe vor ihnen weg. Indem ich in die Rolle eines anderen schlüpfe. Indem ich spiele. Indem ich von einem Spiel zum nächsten eile, Fassaden und Palisadenzäune rings um mich errichte, mich mit potemkischen Dörfern umgebe und tunlichst alles unternehme, mich nicht mit mir selbst beschäftigen zu müssen.

Alaska Saedelaere mag eine Maske tragen, die andere davor bewahrt, dem Wahnsinn ins Antlitz blicken zu müssen. Doch was ich zu verhüllen habe, ist viel, viel schrecklicher. Denn hinter der Fassade meines Seins befindet sich ... nichts.

Ich bin ein Nichts. Ich bin ein funktionierender Organismus. Die Charakterzüge, die man mir zuordnet; der Ronald Tekener, dem ich zu entsprechen versuche, ist bloß eine Maske. Denn ich habe längst verlernt, ich selbst zu sein.

Dies alles macht mir das Weiß binnen kurzer Zeit bewusst. Es durchleuchtet und durchdringt mich, ohne dass ich mich dagegen wehren kann. Tränen rinnen über meine Wangen. Ich höre mich schluchzen.

Meine Rechte schmerzt. Sichu Dorksteiger packt mit einer Kraft zu, die ich der Ator niemals zugetraut hätte. Ich fühle ihr Zittern – und ahne, dass sie einen ähnlichen Einblick in ihr eigenes Seelenleben erhält.

Wir haben hier nichts zu suchen. Wir sind dieses Raumes nicht würdig.

Oder?

Ich fühle mentalen Druck. Jemand – oder etwas! – möchte sich uns mitteilen, uns Wissen vermitteln.

Ich höre ein Wispern. Geflüsterte Silben, ohne Sinn, ohne Zusammenhang, ohne Wert. Sie umschmeicheln mich und versuchen, Zugang zu meinen Gedanken zu finden. Ich bräuchte einen Translator, der sich darauf versteht, kaleidoskopartig umherwirbelnde Eindrücke in sinnvolle Wörter umzuwandeln.

»Verstehst du etwas?«, frage ich Sichu. Doch was ich von mir gebe, sind sinnentleerte Töne. Ich bezweifle, dass mich die Ator versteht.

Ich stürze. In eine kalte, absolute, grenzenlose Leere. Tiefer und tiefer. Das Weiß, das mich wie eine Schutzblase umgibt, droht davon aufgefressen zu werden. Da ist Dunkelheit. Eine Zukunfts-Dunkelheit. Oder eine, die in der Vergangenheit entstanden ist und über das Jetzt hinaus in die Zukunft greift.

Mit trägem Kopf assoziiere ich. Denke an den Sektor Null. An dessen Schwärze. Ist es das, was mir der Weiße Saal vermitteln möchte? Will er mich davor warnen?

Ja. Ich bin mir dessen sicher. Ich blicke durch ein winziges Schlüsselloch und starre in einen Abgrund ohne Boden.



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